Am Ehre20220903 155429nmal für die ca. 65.000 ermordeten Zwangsarbeiter im Stalag 326 in Stukenbrock-Senne organisierte der Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“ zum 55. mal die jährliche Gedenkfeier im Rahmen des Antikriegstag. Erneut nahmen ca. 200 Friedensfreunde an der Mahn- und Gedenkveranstaltung teil.

In den Redebeiträgen und den Diskussionen unter den Teilnehmer/innen war vor allem der Krieg um die Ukraine das Thema. Hauptredner war der Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker aus Hamburg. Er verurteilte einerseits den Angriffskrieg des Putin-Regimes auf die Ukraine mit klaren Worten, andererseits warnte er vor der Unterstützung des Selenkyj-Regierung und forderte die Solidarität der Friedenbewegung mit den betroffenen Menschen und Opfern dieses Krieges. Seine leidenschaftlichen Worte gegen alle Kriegstreiber wurden immer wieder vom Beifall der Zuhörer/innen begleitet.

Eine Schwäche der Veranstaltung und der Redebeiträge lag darin, dass die Ursachen dieser Entwicklung, die im imperialistischen Machtkampf um die weltweite Vorherrschaft liegen, kaum zur Sprache kamen. So blieb die Perspektive des Friedenskampfes auch in Appellen an die Verhandlungsbereitschaft der Herrschenden stecken, statt auf den Aufbau einer antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront hier und in der Welt zu orientieren. Trotzdem war diese Veranstaltung ein würdiger und mahnender Ausdruck des Friedenwillens der Teilnehmer/innen sowie Ansporn den aktiven Widerstand gegen einen 3. Weltkrieg zu organisieren. (gd)

Antifaschisten und Freunde und Genossen der MLPD in Ostwestfalen legten auch dieses Jahr wieder eine Kranz am Obelisken auf dem Kriegsgefangenenfriedhof in Stukenbrock-Senne nieder. Dort befand sich der Stalag 326, ein Lager für ca. 300.000 überwiegend sowjetische Kriegsgefangene. Davon überlebten ca. 65.000 Menschen nicht.

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Davon berichtete der Kommunist V.M. Asarow in seinen Erinnerungen: „Ich kam im Frühjahr 1943 nach Stukenbrock. Obwohl ich dort nur einige Monate verbrachte, blieb mir diese Zeit als die schrecklichste Erinnerung meines Lebens. Ich habe viele Greueltaten erlebt, aber das Stukenbrocker Lager ist mir als ganz besonders grausam in Erinnerung.“ Trotz der barbarischen Verhältnisse gelang es den Gefangenen sich selbst zu befreien. Das war nicht nur eine Leistung des organisierten Widerstandes sondern auch Ausdruck der überlegenen kommunistischen Moral: „Im April 1945 haben wir uns aus eigener Kraft befreit.“, berichtete der ehemalige Kriegsgefangene L.S. Manajenkow. „Die Waffen dazu hatten sich die sowjetischen Gefangenen selber verschafft. Wir haben eine Selbstverteidigung gegen die in der Nähe befindliche SS organisiert. Man musste total Erschöpfte, Halbverhungerte und Todkranke in verschiedene Krankenhäuser sammeln, man musste Disziplin halten. Wir rächten uns an niemanden. Wir hatten zwar alles Schlechte im Gedächtnis behalten, haben aber nicht mit Schlechtem zurückgezahlt. Im Gegenteil. Wir haben die Deutschen, die Schluss machen wollten mit dem Krieg, vor der SS geschützt.“

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08.05.2021: 

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Ein frischer Wind weht über das ausgedehnte Gräberfeld. Von einem Akkordeon erklingt eine russische Weise, erhebt sich in die Luft und spannt den Bogen in die Heimat der hier Ruhenden. Es ist ruhig, fast idyllisch an diesem denkwürdigen Ort in der Senner Heidelandschaft. Nicht weit von hier entspringt die Ems. Wir sind nicht die Einzigen, die am 8. Mai den Ehrenfriedhof aufsuchen, um derer zu gedenken, die hier als sowjetische Kriegsgefangene interniert waren und als Soldaten der Roten Armee gegen den Hitlerfaschismus gekämpft haben. Mitglieder der umliegenden russischen Gemeinden legen ihre Kränze nieder, ebenso Vertreter der russischen Botschaft. Der gemeinsame Kranz der MLPD Ostwestfalen und des Internationalistischen Bündnisses mit seinen roten Schleifen „8. Mai – Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus“ findet einen würdigen Platz auf den Stufen des beeindruckenden Obelisken. 65.000 Menschen, überwiegend sowjetische Kriegsgefangene, fanden hier den Tod, oftmals gequält und ausgebeutet in den Fabriken des Ruhrgebietes. Die Geschichte des sogenannten Stammlagers StaLag 326 VI ist Teil einer deutschen Vergangenheit, Geschichte zu vergessen und zu entsorgen. Nach der Errichtung des Lagers durch polnische Zwangsarbeiter wurde zunächst die einheimische Bevölkerung scharfgemacht: So schrieb das Paderborner ‚Westfälische Volksblatt‘ einen langen Artikel über „Bolschewistisches Untermenschentum in deutscher Gefangenschaft“. Davon angetrieben „besichtigen“ Bürger der Umgebung und selbst Ausflügler aus Bielefeld die Gefangenen wie in einem Zoo. Angesichts der ausgezehrten Gefangenen, die mit 200g Ersatzbrot (Brot mit Sägemehlzusatz), und einer Schöpfkelle Balanda, (Wassersuppe, die aus ungeschälten weissen Rüben, Kartoffelabfällen, Kräutern und Baumrinde gekocht wurde) auskommen mussten, verging sicherlich so manchem Spaziergänger die Lust am Ausflug. Es ist das Verdienst der sich bildenden kommunistischen Widerstandsgruppe, zahlreiche Mitgefangene vor dem sicheren Tod zu retten, gefährdete Kameraden vor SS und Gestapo durch Fälschungen von Papieren zu verstecken und Kranke von schwerster Arbeit zu befreien. Es ist diese kommunistische Denkweise, nicht an sich selbst zu denken, die Schwachen zu schützen und den Widerstand zu organisieren, der schließlich dazu geführt hat, dass sich – entgegen der offiziellen Version der Befreiung durch die Amerikaner – mit der Entwaffnung des Wachpersonals das Lager selbst befreit hat. Das wurde in den Reden der Vertreter von MLPD und Internationalistischem Bündnis deutlich, die auch die Rolle der Roten Armee als entscheidender Kraft beim Sieg über den Faschismus betonten. Dazu passten gut die Liedbeiträge der Musikgruppe „Roter Faden“ . Das eindrucksvolle als Sologesang vorgetragene „Mein Vater wird gesucht“ ging allen Zuhörern unter die Haut. Der Autor, Hans Drach, selbst im russischen Exil lebend, schrieb das Lied 1934 als Anklage gegen die Praktiken des SS, Leute verschwinden zu lassen. Den Abschluss bildete neben dem auf einer wahren Begebenheit beruhenden Lied „Drei Rote Pfiffe“ über den Partisanen-Widerstand in Österreich das von Brecht und Eisler 1934 zur Stärkung des internationalen antifaschistischen Widerstands entwicklelte „Einheitsfrontlied“, welches manch einen Zuhörer trotz Maske zum Mitsingen brachte.