Tim Lochner erreicht im zweiten Wahlgang in Pirna 38,5 Prozent der abgegebenen Stimmen. Damit ist er der erste Oberbürgermeister für die AfD in Deutschland. Über eine wachsende Zustimmung zur faschistoiden AfD machen sich viele Menschen in Deutschland zu Recht Sorgen.

hoecke

In der Bevölkerung ist der Unmut groß über die Politik der Berliner Regierung. Eine Krise jagt die nächste. Die Lasten werden zunehmend auf die Bevölkerung abgeladen. Die AfD erklärt die “Flüchtlinge“ zum Hauptproblem. Die etablierten Berliner Parteien inklusive der Grünen schwenken immer mehr auf diesen Kurs ein. Klar, lenkt das doch vom eigenen Versagen ab und den Ursachen im kapitalistischen Gesellschaftssystem, dem sie alle (inklusive der AfD) die Treue geschworen haben.

Davon lebt die AfD. Tim Lochner sagt: „Wenn wir einen Ausländeranteil in gewissen Stadtteilen haben von nachweislich 38 Prozent in den Grundschulen und Kitas, dann ist das für mich schon ein Austausch der einheimischen Bevölkerung“. (1). Für Lochner gehören also Menschen mit migrantische Wurzeln oder Flüchtlinge nicht zur einheimischen Bevölkerung? Als Unternehmer sind ihm natürlich deutsche Kapitalisten allemal näher als die ausländischen Kolleginnen und Kollegen.

Die Monopolverbände befinden sich gleichzeitig in einem Dilemma. Spaltung der Arbeiterklasse käme ihnen entgegen, als Wegbereiterin des Faschismus in Deutschland ist ihnen die AfD genehm. Mit Blick auf eine revolutionäre Krise bauen die Herrschenden darauf, in Faschisten und faschistoiden Kräften eine Reserve zu haben.

Wenn das Monopolkapital seine Herrschaft nicht mehr mit den Methoden der bürgerlichen Demokratie ausüben kann, wird es versuchen, eine offen terroristische Diktatur zu errichten. Aktuell allerdings warnt BDI-Präsident Siegfried Russwurm vor AfD-Erfolgen. "Eine politische Bewegung, die die Wende rückwärts zu Nationalismus beschwört, ist schädlich für dieses Land: für die Wirtschaft und für Ansehen und Erfolg Deutschlands im globalen Kontext". Für die Geschäftemacherei und die Maximalprofite der Monopole in Deutschland ist die AfD ein Störfaktor. Für den er die Bevölkerung verantwortlich macht, statt die von ihm mit betriebene Rechtsentwicklung von bürgerlichen Parteien und Medien und der Bundesregierung.

Tim Lochner kündigte unmittelbar nach der Wahl an: "Ich werde die Mitarbeiter im Rathaus ... auf Loyalität prüfen.“ (2) Also Gesinnungs-TÜV à la Stasi und Verfassungsschutz. Von wegen Meinungsfreiheit, die Faschisten, AfD und andere Ultrareaktionäre so gerne für sich einfordern. Sie endet, wenn diese Leute das Sagen haben. Loyalität gegenüber antidemokratischen Kräften wie Lochner & Co. ist also völlig unangebracht.

Öffentlichkeitswirksam verzichtet der neue Bürgermeister von Pirna scheinbar „volksnah“ auf einen Dienstwagen. Die persönliche Bereicherung bürgerliche Politiker gehört zu Recht zu ihren am meisten verhassten Eigenschaften. Als Kleinunternehmer fällt Lochner diese Geste natürlich nicht sonderlich schwer, kann er doch Firmenwagen von der Steuer absetzen bzw. finanziert sein Auto aus der Ausbeutung seiner Beschäftigten.

Tim Lochner war früher in der CDU, ist Mitglied der AfD-Ratsfraktion, zwischenzeitlich arbeitete er auch mit Frauke Petry (ehemals AfD) zusammen oder versuchte sich als parteiloser Kandidat. Ein politischer Karrierist wie er im Buche steht. 2020 organisierte er Querdenker-Demos gegen den Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Offiziell parteilos, sagt er: „Mich trennt von der AfD gar nichts, außer das Parteibuch“. (3) Für ihn, als Opportunisten in eigener Sache, ist es ratsam, sich nicht zu fest an eine Partei zu binden. Wer weiß, auf welchem Ticket der nächste Karrieresprung geplant sein will.

38,5 Prozent der abgegebenen Stimmen beim zweiten Wahlgang in Pirna gingen an Lochner. Die AfD wollte unbedingt (nach Thüringen und Sachsen-Anhalt) nun auch in Sachsen ein Rathaus erobern. Dass sie dabei lieber auf den parteilosen Lochner setzten als einen eigenen Kandidaten aufzustellen, zeigt: ihr markiges Selbstbewusstsein ist nicht ganz so stabil, wie zur Schau getragen. Doch auch Lochner erhielt nur die Stimmen von knapp 21 Prozent der Wahlberechtigten. Vier von fünf Wahlberechtigten in Pirna haben nicht für ihn gestimmt. Hinzu kommen alle diejenigen, denen das reaktionäre Wahlrecht in Deutschland ein Stimmrecht versagt, weil sie keine EU-Bürger sind. Lochner profitierte auch davon, dass beim zweiten Wahlgang drei Kandidaten zugelassen waren. Katrin Dollinger-Knuth (CDU), die von SPD, B90/Grüne und Linkspartei unterstützt wurde, erhielt 31,4 Prozent. 30,1 stimmten für den Hotelier Ralf Thiele (Freie Wähler). 46,2 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben sich gar nicht an der Wahl beteiligt.

„Der bürgerliche, sogenannte Antifaschismus hat in Pirna völlig versagt“, so Jörg Weidemann, Landesvorsitzender der MLPD Elbe-Saale. „Man kann doch nicht allen Ernstes zur Wahl der CDU aufrufen, um die AfD zu verhindern. Am Tag nach der Wahl erklärt Katrin Dollinger-Knuth (CDU): ‚die AfD muss jetzt liefern‘. Was soll die AfD denn liefern, außer arbeiter- und massenfeindlicher, faschistoider Politik? Klar, dass dies der bürgerlichen Politiker-Riege gefallen würde. Viele Leute wählen die AfD, weil sie von der Berliner Politik die Nase voll haben. Wir müssen diesen Leuten klar machen, dass sie von der AfD nichts besseres, sondern die gleiche volksfeindliche Politik - nur noch aggressiver bekommen.“

Die MLPD tritt in Sachsen nicht zur Landtagswahl 2024 an. „Aber wir werden uns in dieser Frage natürlich klar positionieren", verspricht Jörg Weidemann. „Die Alternative ist nicht Berliner CDU/SPD/FDP/GRÜNE oder AfD, sondern zwischen Kapitalismus (und den ihn tragenden Parteien) und Sozialismus (und den revolutionären Kräften). Wer die Berliner Politik ablehnt, der muss sich der kämpferischen Opposition dagegen anschließen.“


Quellen & Links

  1. de 17.12.23
  2. de 17.12.23
  3. ZEIT online, 18.12.23